American Tribal Style Bellydance® (ATS®)






Tribal Style Bellydance

Tribal Style Bellydance ist der Oberbegriff für eine Vielzahl von Tanzstilen, die ihre Wurzeln in der Bauchtanzszene San Franciscos haben.

Typische Elemente für Tribal Style Bellydance sind eine stark aufgerichtete Körperhaltung mit deutlicher Körperspannung, ein vom klassischen Orientalischen Tanz abweichendes Bewegungsvokabular mit Anleihen aus anderen Tanzformen, sowie vielfach ein synchrones improvisiertes Tanzen in der Gruppe.

Im Laufe der letzten 20 Jahre ist das Spektrum des Tribal Style Bellydance zu einer erstaunlichen Vielfalt erblüht. Gemeinsam ist allen Varianten jedoch ihr Ursprung im American Tribal Style Bellydance®.

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Herkunft und Geschichte

Der American Tribal Style Bellydance® hat seine Wurzeln bei der amerikanischen Tänzerin Jamila Salimpour und ihrer Auftrittsgruppe "Bal Anat", die in den späten 1960ern und frühen 1970ern auf der "Northern California Renaissance Pleasure Faire" bei San Francisco auftraten.

"Bal Anat" zeigten dort Tänze, die von nordafrikanischer Folklore inspiriert waren, in ebenfalls folkloristisch anmutenden Kostümen. Die jeweils im Mittelpunkt der Bühne aktiven Tänzerinnen wurden dabei im Hintergrund vom Rest der Truppe umrahmt, ein Element, das später für Tribal Style Bellydance typisch werden sollte. Im Gegensatz zu den meisten Formen des Tribal Style Bellydance waren Bal Anats Tänze jedoch stets choreographiert.

Eine Schülerin Jamila Salimpours, Masha Archer, übernahm viele Elemente von "Bal Anat", verband diese jedoch zusätzlich mit eigenen Ideen. Ihr Wunsch war es, aus dem Orientalischen Tanz etwas zu kreieren, das Frauen Stärke und Würde geben sollte, und dem Tanz mehr Anerkennung als eigenständige Kunstform verschaffen sollte, um ihn vom Image als "Animationstanz" zu befreien.

Masha Archers Schülerinnengruppe "San Francisco Classic Dance Troupe" trug somit Kostüme, die nicht mehr nackte Haut sehen ließen, als unbedingt nötig, wie Pluderhosen und Oberteile, die zwar den Bauch frei ließen, aber die Arme eher bedeckten. Sie traten lieber auf Ausstellungen und Straßenfesten auf als in Restaurants. Da Masha Archer selbst nie zu choreographieren gelernt hatte, tanzten ihre Schülerinnen vorwiegend improvisiert.

Eine Schülerin Masha Archers war Carolena Nericcio. Nachdem Masha Archer gegen Mitte der 1980er sich vom Tanz zurückgezogen hatte und die "San Francisco Classical Dance Troupe" sich aufgelöst hatte, begann Carolena Nericcio selbst zu unterrichten, und das bei ihrer Lehrerin erlernte weiterzugeben, um wieder Tanzpartnerinnen haben zu können.

1987 gründete Carolena Nericcio mit einigen ihrer Schülerinnen bzw. Mittänzerinnen die Tanzgruppe Fat Chance Bellydance® (FCBD®). Auf dem von Masha Archer über Carolena überlieferte Bewegungsvokabular aufbauend, und von räumlichen Voraussetzungen ihrer Auftrittsorte geprägt, entwickelten Fat Chance Bellydance® mit Hilfe von Logik, sowie Versuch und Irrtum einen Tanzstil, der es ihnen ermöglichte, jederzeit einen Tanz improvisieren zu können, und sich dabei dennoch als Gruppe immer noch synchron bewegen zu können. Die berühmte New Yorker Tänzerin Morocco gab diesem Tanz die Bezeichnung "American Tribal Style Bellydance®".

Die Geburtsstunde des American Tribal Style Bellydance® (ATS®) schlug damit 1987 mit Fat Chance Bellydance®, und nicht, wie vielfach im Internet zu lesen, in den späten 1960ern mit Bal Anat.

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Typische Merkmale des American Tribal Style Bellydance® (ATS®)

ATS® weist eine Reihe von typischen Merkmalen auf, die ihn von anderen Formen des Orientalischen Tanzes deutlich unterscheiden.

ATS® wird üblicherweise improvisiert getanzt. Diese Improvisation erfolgt innerhalb eines spezifischen Bewegungsvokabulars, das seine Wurzeln im Tanzstil Jamila Salimpours hat, aber auch zahlreiche Anleihen u.a. aus dem Flamenco enthält. Um zu erreichen, dass die Gruppe auch ohne vorher festgelegte Choreographie synchron tanzen kann, wird die Improvisation jeweils von einer Tänzerin geführt. Dies ist stets die Tänzerin, die von allen Mittänzerinnen gut gesehen werden kann, ihrerseits aber meist keine Mittänzerin im Blickfeld hat.

Um stets saubere und einfache Übergänge von einem Tanzschritt zum nächsten zu gewährleisten, beginnen alle Tanzschritte mit dem rechten Fuß. Asymmetrische Tanzfiguren (die sog. "Pivot-Bump-Familie") werden nur rechtsseitig getanzt. Eine derartige asymmetrische Körperbelastung ist bei den meisten anderen Tanzformen verpönt, im ATS® wird sie jedoch in Kauf genommen, um einen gleichmäßigen Fluss im improvisierten Tanz zu gewährleisten.

Um dem Publikum stets einen möglichst optimalen Blick auf die Tanzbewegungen zu bieten, stehen die Tänzerinnen zumeist leicht in die Diagonale ausgerichtet, d.h. die rechte, aktivere Körperseite ist dem Publikum meistens stärker zugewandt. Dies hat den weiteren Vorteil, dass Mittänzerinnen die führende Tänzerin sehen können, ohne den Kopf verdrehen zu müssen. Die führende Tänzerin steht damit logischerweise stets vorn links (von den Mittänzerinnen aus gesehen).

Die Mittänzerinnen beobachten beim Tanz die Körpersprache der führenden Tänzerin, und leiten daraus ab, welche Bewegung sie als nächstes ausführen wird. Dass die meisten Tanzbewegungen von spezifischen Armhaltungen oder Bewegungssequenzen, sogenannten "Cues", eingeleitet werden, hilft dabei. Dennoch hat der resultierende gemeinsame Tanz sowohl für Zuschauer als auch Aktive manchmal etwas geradezu magisches an sich, bedingt durch die hohe Konzentration beim Tanz und die intensive aber dennoch unsichtbare Kommunikation der Tänzerinnen untereinander.

Ein weiteres typisches Merkmal des ATS® ist die scharfe Trennung zwischen langsamen und schnellen Tanzbewegungen. Schnelle Tanzbewegungen werden dabei stets von rhythmischem Zimbelspiel begleitet, langsame Tanzbewegungen dagegen folgen eher der Melodie als dem Takt der Musik. Dieser Kontrast gibt dem American Tribal Style Bellydance® einen zusätzlichen optischen Reiz.

Für Zuschauer auffällig sind auch die Flamenco-ähnlich stark aufgerichtete, stolze Körperhaltung und die üppigen Kostüme. Letztere bestehen typischerweise aus einer Pluderhose, einem weiten Stufenrock und einem sogenannten Choli, einem meist rückenfreien Top mit Ärmeln und einem tiefen Ausschnitt. Dazu gesellen sich oft noch ein mit Münzen bestickter BH, der über dem Choli getragen wird, folkloristischer Schmuck, und Kopfputz der aus einem Turban oder Tüchern, Blüten und Schmuckteilen bestehen kann.

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Andere Tribalstile

Aus dem ATS® sind seit ca. Mitte der 1990er zahlreiche andere Tribalstile hervorgegangen, die einige Elemente des Originals beibehielten, andere jedoch abwandelten und Neues hinzufügten.

Einer dieser neueren Stile ist der von Black Sheep Bellydance (BSBD).
Im BSBD-Stil werden asymmetrische Tanzbewegungen auch mit links ausgeführt. Dies erweitert die Variationsmöglichkeiten für die Führungspositionen und die Gruppenausrichtung, jedoch stellt dies hohe Anforderungen an die Fähigkeiten zur räumlichen Orientierung und an das Reaktionsvermögen der Tänzerinnen. Zudem braucht es für den Wechsel zwischen rechts- und linksseitiger Fußführung einige Übung.

Das Bewegungsvokabular des BSBD-Stils basiert auf den Grundbewegungen des FCBD®-Stils, hat diese jedoch in vielen Details abgewandelt. Zudem enthält der BSBD-Stil zahlreiche Tanzfiguren, die im ATS® unbekannt sind und die entweder selbst kreiert oder aus anderen Tanzstilen entlehnt wurden. Bewegungsvariationen für den direkten interaktiven Tanz von zwei oder mehr Beteiligten sind im BSBD-Stil weniger ausgeprägt vorhanden. Er ist stärker darauf ausgelegt, dass die Tänzerinnen dem Publikum zugewandt bleiben.

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Tribal Fusion

Tribal Fusion ist die zusammenfassende Bezeichnung für eine Vielzahl von Tanzformen, die eine Variation des Tribal Style Bellydance mit einem anderen Tanzstil verschmelzen. Im engeren Sinne wird darunter vorwiegend der Tanzstil verstanden, der seit 2003 vor allem von der amerikanischen Tänzerin Rachel Brice geprägt wurde.

Im Tribal Fusion weichen die Tribal-typischen Elemente vielfach hinter den neueren Einflüssen zurück, so dass das Endprodukt manchmal kaum mehr noch als Tribal-Abkömmling erkennbar ist. In vielen Fällen wird beispielsweise die Gruppenimprovisation zugunsten von Choreographien oder Soloauftritten aufgegeben. Statt dessen wird eine stärkere Betonung auf Körperspannung, isolierte Bewegung einzelner Körperpartien (oft mit starken Anleihen aus dem Hip Hop) und rhythmische Interpretation der Musik gelegt.

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Entwicklung in Deutschland

Nach Deutschland kamen die verschiedenen Formen des Tribal Style Bellydance seit Ende der 1990er in mehreren Schüben.

Anfangs wurden überwiegend Varianten des improvisierenden Tribals vorwiegend über Lehrvideos bzw. –DVDs verbreitet. Teils aus Unkenntnis, teils aus Experimentierlust wurden dabei unterschiedliche Tribalstile miteinander vermischt, Cues wurden verändert, und das Bewegungsrepertoire abgewandelt.

Später, ab 2004, fand der Tanzstil von Rachel Brice zahlreiche Nachahmerinnen, denen nicht selten der ursprüngliche Tribal völlig unbekannt war.

Seit ca. 2003 werden an verschiedenen Orten in Deutschland zunehmend Dozentinnen der verschiedenen amerikanischen Tribalstile nach Deutschland eingeladen, um hier Workshops zu unterrichten und die aus Lern-DVDs erworbenen Kenntnisse zu ergänzen oder gegebenenfalls zu korrigieren. So sind in Deutschland mittlerweile neben den seit Ende der 1990er entstandenen einheimischen Stilvarianten zunehmend auch die amerikanischen Original-Tribalstile vertreten. Die tänzerische Qualität steigt dabei zunehmend.

2009 unterrichtete Kajira Djoumahna in Dillenburg erstmals in Deutschland ein Level-1-Teacher-Training für ihren BSBD-Stil.

2011 unterichtete Carolena Nericcio zusammen mit Megha Gavin (Devyani Dance Company) und Wendy Allen (FCBD®) ebenfalls in Dillenburg und ebenfalls erstmals in Deutschland einen "General Skills"-Lehrgang für ATS® mit anschließendem Teacher Training. Seither findet man eine wachsende Anzahl von FCBD® Sister Studios in Deutschland.

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